06 Januar 2021

von Vergleichen, Othering und sonstigen Gedanken

 

Der Tod jedes Glücks ist der Vergleich

 Toller Satz, netter Kalenderspruch, was Schönes zum Lesen und anschließendem selfcare-treatment mit yoga und journaling, wie das die Influencer von Instagram tun…. Der nächste Vergleich.

Dass meine Freude über einen Post sofort stirbt, wenn ich ihn mit einem Buch von Nick Hornby vergleiche, ist klar. Aber ich könnte schauen, was Hornbys Bücher so wunderbar machen und wo meine Postchen schon gut sind und wo sie besser gemacht werden können. Stattdessen - damit ich mich nicht ganz so schlecht fühle - rede ich ihn madig. Ich mache sein Aussehen, seine Familie, seine Lebensentscheidungen madig und weil ich hier in meiner Vergleichswelt überlegen bin, fühle ich mich besser, weil ich nicht so bin, wie er. Das rückt den Vergleich weg, weil ich mich distanziere.

Für diese Art von Distanzierung gibt es den Begriff Othering. Ich erkläre mich einer Person oder Gruppe nicht zugehörig - mache diese zum Fremden. Und das Fremde ist suspekt und mit Vorsicht zu genießen, denn es könnte gefährlich sein. Und je mehr ich mich mit Personen oder Fähigkeiten, die mir überlegen sind vergleiche, desto mehr "Andere" gibt es. Irgendwann kommt es dahin, dass außer mir nur Andere existieren. Das macht mich einsam aber verdammt besonders. 

 „Ich bin nicht einsam, weil ich eine Idiotin bin, sondern weil alle anderen Menschen Idioten sind.“

Bild von mir als sichtbar ANDERS.


Ich möchte Vergleiche wie ein Werkzeug benutzen. Ich muss wissen, wie ich ein Werkzeug benutzt. Ich kann versuchen eine Nuss mit der Axt zu öffnen – was vermutlich die Nuss in alle Richtungen auseinandersprengt und am Ende habe ich nichts von der Nuss. Oder ich nehme einen Nussknacker und werde satt. Um beim guten Nick Hornby zu bleiben, ich kann mich natürlich literarisch mit ihm vergleichen und das bisschen Schreiberei an den Nagel hängen oder ich vergleiche mich mit den vielen anderen Bloggern und finde, dass es fürs Internet reicht.

Wat nu? Nie mehr vergleichen? Das klappt nicht. Beispiel: Ich war eine recht gute Intensivkrankenpflegerin. Aber im Vergleich sind A., F., C.; E.; N.; Y.; S.; T., was ihr Wissen in Intensivmedizin und Pflege angeht Spitzenklasse - somit besser als ich. Finde ich die doof? Mache ich die mit Vergleichen, in denen ich mich cooler finde nieder? Nö, warum auch? Ich hatte herausragend gute Kolleg*innen, die ich jederzeit fachlich fragen und von denen ich lernen konnte. Und das Beste ist, dass das ich es immer noch kann.

 

Wenn ich mich vergleiche und feststelle ein Menschen ist besser, anders, besonders, dann will ich fragen, ob ich von ihnen lernen darf. Danach bin ich vielleicht immer noch nicht der Oberkracher aber hoffentlich schlauer.