26 September 2021

ich bin zu alt und andere Ausreden

Ich kann schlecht einschätzen ob ich mich "altersgerecht verhalte oder lebe" Vielleicht wissen das Andere. Aber ich habe nie gedacht, dass ich zu alt bin für irgendetwas. Alles war immer möglich. Wer sagt denn, dass ich nicht Rollschuhlaufen sollte, nur weil ich über vierzig bin? Wer sagt denn, das ich zu alt zum studieren bin? ich habe die Dinge einfach gemacht. 

Aber dann habe ich mich erwischt: ich bin zu alt für Poetry Slams oder Comedyauftritte. Nicht als Zuschauerin, als Slammerin bin ich zu alt. Und ich bin bestimmt auch nicht lustig oder schlau oder wortgewandt. Dann kamen die Gegenargumente. Es entwickelte sich ein Dialog zwischen Ausreden-Mesii und Fakten-Mesii.

Ausreden-Mesii: Es geht nicht, weil, die sind ja alle jung. 

Fakten-Mesii: Carolin Kebekus, Thorsten Sträter, Dieter Nuhr, sind nicht jung... Sträter ist sogar älter als ich.

 Ausreden-Mesii: Sträter hat aber jünger angefangen. Genau wie Kebekus, Nuhr und Co. 

Fakten-Mesii: Aber die haben irgendwann mal angefangen. 

Ausreden-Mesii: Es wird niemanden interessieren.

 Fakten-Mesii: Das kannst Du nicht sagen, wenn Du es nicht ausprobiert hat.

Ausreden-Mesii: Aber das Publikum ist viel jünger.

Fakten-Mesii: Wenn Du noch länger Ausreden findest, werden die noch jünger sein, wenn Du Dich endlich traust. Wo ist das Problem?

Ausreden-Mesii: Die könnten lachen - über mich - nicht über den Inhalt. ODer über den Inhalt, obwohl der ernst gemeint ist. Ich weiß ja nicht mal, ob ich irgendwelche krassen Weisheiten raushauen oder witzig sein will.

Fakten-Mesii: Wenn Du es nicht ausprobierst, findest Du es nie raus. Und wirst Du auf Deinem Sterbebett bereuen, dass Du es nie versucht hast.

Das letzte Argument zog und dann fand ich einen Kurs an der Volkshochschule: Poetry Slam - eigentlich war ich auf der Suche nach Yoga. Aber vielleicht ist Poetry mein Yoga. Der Kurs ist im Dezember und bis es soweit ist, dürfen die geneigten Leser:innen meine Übungstexte hier lesen.


Worte haben Macht. Manche Worte überdauern sogar, die Menschen, die sie gesagt haben und die Zeiten in denen sie lebten. Worte trösten Kinder und lösen Kriege aus. Worte öffnen die Wahrnehmung für die kleinen und kostbaren Dinge und Worte treiben Menschen für immer auseinander.   

Oder auch für immer zusammen – jedenfalls so lange, wie es dauert, bis aus dem „Ja-ich-will“- ein…“Och Nö,-das-war-ein-Versehen“ wird.

Ich habe Worte und davon viele. Ich bin nie sprachlos. Ich rede unpassendes Wahres und trage mein Herz wie einen Bauchladen vor mir her. - Wenn ich mich traue. - Wenn ich nicht an meiner eigenen Feigheit scheitere, die mir sagt „Das gehört jetzt nicht hierher. So kannst Du das nicht sagen. Sie werden lachen. Über Dich, nicht über Deine Geschichten“.

Lustige Peinlichkeiten, so finde ich,  sollten erzählt werden, damit die Scham uns nicht in die Ecke treibt. Wenn ich nicht die Geschichte erzähle wie ich ohne es zu merken, mit dem Mundschutz der Chefin im Gesicht deren Büro verlassen habe, weiß niemand wie peinlich und auch ein bisschen eklig das war.

Ich will erzählen, dass die Dozentin von der Suchtschulung in Esslingen, wo ich mal war, einen extra strongen Gin Tonic bei mir bestellt hat. Und wenn ich das erzähle, sollte ich wohl erwähnen, dass  ich vielleicht auch schon ein wenig betrunken war.

Ich habe Worte und davon viele. Ich bin nie sprachlos. Ich rede unpassendes Wahres und trage mein Herz wie einen Bauchladen vor mir her. - Wenn ich mich traue. - Wenn ich nicht denke, dass ich nichts zu sagen habe.

Dann sage ich „Hallo, nicht weghören. Ich habe nachgesehen, du bist nicht alleine irre und wirr, fühlst zu viel und durcheinander. Du bist nicht die einzige Person, die von Fettnäpfen heimgesucht wird, die sich nach Gesprächen tausendmal fragt, ob Klaus-Bärbel oder Ilse-Marie dich falsch verstanden haben. Die bereut dass sie der Chefin nach der Teamdiskussion, ob man sie nun Duzen und Siezen darf, gesagt hat: " Wir haben das ja, bereits besprochen. Mir ist daswirklich latte."

Das will ich. Große, fette, lustige Worte finden und sie wie Karnevalsbonbons verschleudern. Ich will alle Worte benutzen, die ich kenne. Die Zerbrechlichen, die Brüller und die vulgären Kracher- ja genau die auch, verdammte Scheiße.  Alles muss raus. Und in meiner Fantasie, haben wir uns kaputtgelacht und sind ermutigt keinen Fettnapf unerzählt zu lassen.