Gefühle. Alle Haben sie. Ich habe
sie ständig. Und ich habe so viele Gefühle und sie wollen sich nicht in geordneter
Reihenfolge fühlen lassen. Sie ploppen einfach zwischen mitten in den Alltag
hinein und stören Abläufe, die ohne sie reibungslos laufen würden. Und mein
Hirn, das unsortierte Ding unterstützt sie. Zumeist ist der Körper nur ein
Mitläufer. Er macht was die Gefühl und Hirn sagen.
Auf dem Weg zu Arbeit, erinnere
ich mich an das unschöne Gespräch mit Chantalle-Bernadette und sofort grätscht
das Hirn rein und sagt, „das war genauso wie damals, mit sieben als Klaus-Friedrich
dich vor allen bloßgestellt hat“. Die Gefühle erkennen ihren Einsatz und
schwemmen die gute alte Scham hoch. Der Körper spielt mit. Das Herz klopft, es
wird warm und das Gesicht rot. Scham will ich auf keinen Fall fühlen. Scham
macht machtlos und klein und schutzlos. Hurra die Wut kommt um die Ecke und mein
Gehirn schmiedet Rachepläne und Fantasien, was wir machen, wenn uns ähnliches
nochmal passiert. Aber so will ich nicht sein. Also lenke ich mich ab, anstatt
zu überlegen wie ich denn sein will.
Ich öffne Instagram und meine
Gefühle springen an die Oberfläche, in der Geschwindigkeit in der mein Dauen
skrollt und meine Augen die Stories aufnehmen auf. Charlotte Roche verkauft selbstgemaltes
für viel Geld – Hirn denkt: weil ihr Name darauf steht. Gefühl: Neid und
Bewunderung. Post gegen Zwangsprostitution, Hirn: krass. Gefühl: Trauer. Story:
Twitterperlen. Hirn: geiler Spruch. Gefühl: Freude. Story: Böhmermann zur
Buchmesse. Hirn: Nazis sind echt all over. Gefühl: Beklemmung. Lustige Memes zu
„me too“. Gehirn: hierzu sollte ich auch mal schreiben Gefühl: Kämpferisch…. Endlos,
bis der Bus anhält, hüpfen Gedanken und Gefühle durcheinander. Auf dem Weg versuche
ich mich an eine Story zu erinnern. Ich will hier weiterdenken. Mein Gefühl sagt
mir, da war was Wichtiges. Aber die Bilder, Sprüche, Videos flackern wild vor
sich hin, schieben sich voreinander. Ich komm nicht mehr auf das Gesuchte.
Bevor ich mich hierüber richtig
ärgern kann, schiebt sich Chantalle-Bernadette ins Rampenlicht der Gedanken und
fordert die komplette Gefühlsaufmerksamkeit. Der Körper wird wieder heiß, der
Rücken wird Schweißnass, die Fäuste ballen sich. In Ermanglung von Zeit für
einen guten Racheplan schlägt das Hirn vor, sie einfach umzuhauen. Vielleicht könnte
ich erklären, dass eine herzliche Umarmung daneben lief, wenn ich mit beiden
Fäusten gleichzeitig zuschlage? Gefühl freut sich und fühlt sich schuldig. Der
Gedanke wird verworfen. Beinchen stellen fällt auch flach, weil ich zu
ungeschickt bin, sagt das Hirn. Gehirn erinnert sich an Hanni und Nanni. In den
Büchern wurden Mädchen, die doof waren ignoriert. Die Fäuste öffnen sich.
Der Gedanke Chantalle-Bernadette
und ihre Schneewittchenvisage zu ignorieren und nur auf direkte Ansprache, kurz
und knapp zu reagieren, kein „Hallo“, kein „guten Morgen“, reguliert die Schweißbildung, der Körper kühlt
ab. Die Gefühle lachen wie eine glückliche Hexe die Schnewittchen-Chantalle-Bernadette,
den Apfel andreht.
Tief in meine Rachegedanke versunken,
gehe ich den Gang entlang. Ich werden kalt wie Eis sein, hart wie Teflon. Sie
wird an mir abprallen, wie eine Schmeißfliege von der Fensterscheibe. „Guten
Morgen La Mesii“. Schallt es mir entgegen. „Guten Morgen Chantalle-Bernadette“,
sagt mein Mund, meine Hand wedelt winkend. Während ich an ihr vorbeigehe, ballt
der Körper die Fäuste, der Magen zieht sich zusammen und das Gehirn erwacht aus
der Starre. „Wir hätten sie besser umhauen sollen,“ nuschelt das Angstgefühl
leise.
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