16 Oktober 2021

Ein Leben voll Freude und Spass


                   

Als Kind sind die Vorstellungen eines Erwachsenenlebens nur positiv. Das Groß sein ist verbunden mit einem Haufen Spaß und immerwährender Freude. Wenn ich groß bin, bleibe ich solange wach, wie ich will und esse nur Spaghettieis und Pizza. Zu trinken gibt’s ausschließlich Cola und ich kaufe mir nur Sachen, die Spaß machen.

Und genau so ist es. Ich kaufe mir nur geile Sachen und ich achte auch nicht aufs Geld. Weil ich einfach erwachsen bin. 

 

 

Mein letzter großer Spaßkauf sind drei Backenzähne inclusive Einbau. Ich hatte mir meine ersten Implantate größer und runder und auch nicht im Gesicht vorgestellt. Aber mein erstes Lifting, war in meiner Vorstellung mehr äußerlich. Sowas wie Lidstraffung oder so. Stattdessen wurde mein Gaumen, wegen Schnarchen geliftet.

Nun also die Implantate. Entzündete Wurzeln und durchgeknirschte Zähne (trotz sexy Beißschiene) führten zum Projekt „Zähne-raus“, folgender Backenzähne:  vorletzter jeweils oben rechts, unten links sowie unten rechts. Die Kosten für das Projekt „Zähne raus“ trägt die Krankenkasse. Bei dem Folgeprojekt „Zähne-rein“, darf ich die Kosten zu 90% selbst tragen, wenn ich nicht eine Zusatzversicherung habe (Jkleiner Werbeblock für Zahnzusatzversicherungen).

In meiner kindlichen Vorstellung, war ich, als Erwachsene ohne Furcht vor Zahnärzten (ich kenne noch Bohren ohne Betäubung) und Kieferorthopäden. Ich habe ein Trauma von zwei angenervten Kieferorthopäden-Helferinnen – die gewaltsam mehrfach hintereinander Zahnabdrücke, für die beliebte feste Zahnspange bei mir machten. Die grüne Glibbermasse war so großzügig auf das Abdruck-Metallteil aufgetragen, dass ich beim ersten Mal würgen mussten und den Abdruck versaute. Danach wurde ein größeres Abdruck-Metallteil genommen und noch mehr Glibbermasse. Es war total verrückt, aber ich würgt erneut. Wieder der Abdruck versaut. Wir drei wiederholten das Spiel in verschiedenen Variationen. Am Ende hielt mich eine von Ihnen mit beiden Armen nach hinten gedrückt fest und die andere rammte mit fürsorglich das Teil rein. Danke Mädels.

Mittlerweile gibt es Spritzen und Betäubungsgel für die Spritzeneinstichstelle und vermutlich auch ein Urteil vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dass Quälen im Mund-Kieferbereich verbietet. Also gehe ich  tapfer zum Zahnarzt und seinem kieferorthopädischen Kollegen. Letzterer sah sich die GRound Zeros in meinem Mund an, röntge und CTete alles und kam mit der freudigen Überraschung „Sie brauchen oben einen Knochen- und Kollagenaufbau bevor wir irgendetwas machen. Wollen Sie Rinderknochen oder lieber Knochen von Lebendspender:innen und übrigens das Kollagen wäre entweder künstlich – baut sich aber oft ab- oder vom Schwein.“ Lebendspender:innen, sind Menschen, meist Alte, die sich die Hüfte gebrochen haben und Metallersatz erhalten. Die Vorstellung von Teilen alter Menschen in meinem Gesicht fand ich gruselig und entschied mich für Rind. Und wenn ich schon Rind nehmen würde, könnte ich auch Schwein nehmen, dachte ich. Ich diskriminiere keine Tierrasse.

Die OP wurde geplant und ich gönnte mit für 100€ eine Dormicumnakose. Dormicum ist toll. Man vergisst fast alles. Vielleicht erinnert man sich noch an Teile. Ich erinnere mich, an ein sehr betrunkenes Aufwachen mit einem komplett betäubten Kiefer und entsprechenden Artikulationsproblemen.  Auf die Erklärung des Arztes:“ Wir hatten noch Zeit nach dem Knochenaufbau.“ Jetzt folgt wieder eine Erinnerungslücke. Irgendwas hat er noch im Unterkiefer gemacht. Ich hatte aber bei der Erklärung Knochenaufbau, direkt wieder an das Rind und das Schwein gedacht, dass ich nun zu Teilen in mir habe und freute mich an dem Gedanken, dass ich jetzt für immer gemischtes Hack im Kiefer habe. Fand ich witzig. Witze müssen direkt erzählt werden. Also versuchte ich das gemischte Hack, mit betäubten Lippen zu erzählen. Es hörte sich etwa so an: Icch hag getz genischtes Hack ing Gesiccht.“ Hatte er nicht verstanden. Mein Mann, der mich abholte lieferte die Übersetzung und der Zahnarzt lachte .... NICHT. Er erklärte erneut sehr wichtige Dinge, die ich vergessen habe. Ich schwankte noch zum Röntgen unter Begleitschutz vom Mann (rechts) und einem MTA-ler (links). Dann wieder zurück und dann ins Auto. Hier war mie sehr wichtig zu erklären, dass mit diesem betäubten Gesicht ein Kussmund unmöglich wäre, was ich mehrfach demonstrierte. Laut Aussage meines Mannes, musste ich dringend meine Kollegin anrufen, während er in der Apotheke war. Sie meint ich hätte sehr wirr von gemischtem Hack, fehlendem Kussmund und Mitleid mit Ihr, weil sie am nächsten Tag Arbeiten muss erzählt. Dann habe ich eine Threemanachricht an meine beste Freundin geschrieben: Ich bin asxglimm Schrank.

Als der Dormicumrausch weg war, waren gleich der Schmerz und die Hamsterbacke des Jahrhunderts da. Mit der Backe hätte ich Türsteherin in einer Hamsterdisco werden können. Ich hätte jedem Dünbacken-Hamster gesagt „ Mit dem Mickerbacken, kommst Du hier nicht rein“. Allerdings hätte ich hierfür die andere Backe nachpolstern müssen. Was mit Hamsterkäufen (Rolle Klopapier, Packung Fussili) gut machbar gewesen wäre.

Gestern war ich bei der Nachkontrolle. Alles fein. In sechs Monaten geht es weiter. Ich freu mich. Erwachsensein ist wirklich ein Leben voller Freude und Vergnügen.

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